Innerhalb eines Emissionshandelssystems sind die Markteilnehmenden verpflichtet, für jede Menge an ausgestoßeneen Treibhausgasemissionen ein entsprechendes Emissions-Zertifikat vorzuweisen, welches per Auktion erworben oder unter den Marktteilnehmenden gehandelt wird. Durch die lineare Reduktion der Gesamtmenge verfügbarer Emissionszertifikate und die damit einhergehende Verknappung sollen die Emissionen der Marktteilnehmenden reduziert werden. Gegenüber ordnungspolitischen Maßnahmen bietet ein solches System die potenziellen Vorteile der Ausrichtung an Treibhausgas-Budgets, die Festschreibung des Verursacherprinzips und die ökonomische Effizienz in Bezug auf Vermeidungskosten. Risiken liegen darin, dass ein Emissionshandel unmittelbar die Lebenshaltungskosten der Bürger:innen erhöhen kann. Um diesen Mehrkosten zu begegnen ist ein sozialer Ausgleich essentiell. Weiterführende Information dazu sind im folgenden und detailliert unter https://mappingzero.de/sozialer-ausgleich zu finden.
Der Emissionshandel der Europäischen Union (EU-ETS) verpflichtet Emittenten aus den Sektoren Energie und Industrie entsprechend ihrem jährlichen Treibhausgas-Ausstoßes zum Besitz von Emissionszertifikaten. Ab 2027 wird ein zweiter Emissionshandel auf die Sektoren Gebäude und Verkehr angewandt. Dieser tritt in Deutschland sodann an die Stelle des aktuellen, nationalen Emissionshandelssystems (nEHS), das bis dato als CO2-Steuer mit festgelegter Preisentwicklung fungiert. Nach Berechnung von GermanZero auf Basis offizieller Prognosen übertrifft Deutschland die Emissionen, die dem Land nach gleichmäßiger Pro-Kopf-Verteilung vorhandender Zertifikate zustünden, um 1 888 Mt CO2e. Diese Menge an Zertifikaten stünde somit für andere Länder der EU nicht mehr zur Verfügung, was als problematisch im Sinne fairer Verteilung gewertet werden kann.
Da Zertifikatspreise 2030 schon im bestehenden System oberhalb von 100 € prognostiziert werden, ist der soziale Ausgleich essentiel zu implementieren (siehe unten). Um Preisshocks zu verhindern, sind außerdem die Preise im nEHS schrittweise anzuheben und so an zu erwartende Zertifikatspreise des ETS II anzupassen.
Da die sektoralen Emissionsmengen, die sich aus den Leitplanken der europäischen Emissionshandelssysteme ergeben, grundsätzlich Treibhausgas-Budgets nach Pariser Abkommen überschreiten, ist eine darüber hinausgehende Reduktion der Emissionszertifikate dringend notwendig.
Als vereinfachte Maßgabe wird die Halbierung der maximalen Zertifikatsmenge, enstprechend 3612 Mt CO2e, in beiden Europäischen Emissionshandelssystemen vorgeschlagen.
Emissionen aller Sektoren müssen reduziert werden. Dabei kann die Zusammenlegung bestehender Handelssysteme und neu aufzunehmender Sektoren (Landwirtschaft) genutzt werden, um Emissionen anhand ihrer unterschiedlichen Vermeidungskosten maximal ökonomisch einzusparen.
Um pariskonformität zu sichern, ist eine Reduktion der aktuell veranschlagten Zertifikate um den Faktor 3, enstprechend 5215 Mt CO2e, nötig. Wenngleich diese Anpassung aus heutiger Sicht radikal erscheinen mag, ist sie, sofern als alleiniges und marktbasiertes Klimaschutzinstrument eingesetzt, logische Konsequenz der voranschreitenden Klimakrise.
Neben der weiter beschriebenen Anpassung der Zertifikatsmenge (und der Abschaffung jeglicher kostenlosen Zuteilung als indirekte Form fossiler Subvention) sind die folgenden Aspekte des Emissionshandels voranzutreiben:
Sozialer Ausgleich
Die Zertifikatspreise innerhalb des bestehenden europäischen Emissionshandels (EU-ETS) über die nächste Dekade werden schon jetzt zwischen 100-200 € veranschlagt. Sollen die erhöhten Fit For 55-Ziele durch den Emissionshandel erreicht werden, sind stattdessen Preise im Bereich von 200-400 € zu erwarten [Ariadne-Projekt]. In jedem Fall sind beträchtliche Preisanstiege zu erwarten und für die Lenkungswirkung des Systems auch notwendig. Um die sozialen Folgen solcher Kosten auszugleichen, solange die notwendige Transformation im Gange ist, braucht es einen Ausgleichsmechanismus wie das Klimageld. Dabei können die Einnahmen des Emissionshandels genutzt werden, um (monatlich) direkte finanzielle Auszahlung zu decken (ggf. gekoppelt mit gezielten Investitionen zur Emissionsminderung). Ein solcher Ausgleich soll helfen, klimafreundliches Verhalten anzureizen, ohne vulnerable Gruppen zu überlasten.
Fairer Wettbewerb
Mit Blick auf die Unternehmenslandschaft ist ein Grenzausgleich für Importe sinnvoll, bei dem externe Emittenten Zertifikate, ggf. aus einer speziellen Reserve erwerben. Ein Ausgleich für Handelsteilnehmende mit hohem Exportanteil sollte derweil über Export-Rabattierung erfolgen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein vollständiger Ausgleich der durch den ETS entstandenen Mehrkosten vermieden wird, damit die Absetzung CO2-intensiver Produkte im Ausland nicht speziell gefördert wird.
Perspektive sektorale Ausweitung
Grundlegend ist die ökonomische Effizienz in Bezug auf Vermeidungskosten im Emissionshandel dann am höchsten, wenn dieser sektorübergreifend angewandt wird, sodass Emissionen schnellstmöglich dort eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten zu realisieren ist. Da dies potenziell zu stark steigenden Konsumkosten in Sektoren mit schwer zu vermeidenden Emissionen führen wird, muss der soziale Ausgleich frühzeitig etabliert werden. Um den bürokratischen Aufwand in einem sektorübergreifenden System gering zu halten, ist für manche Sektoren eine Handelsteilnahme der Inverkehrbringenden denkbar. Dies würde bedeuten, dass z.B. Landwirtschaftssektor nicht die Konsumierenden einzeln Zertifikate erwerben müssen, sondern die vorgelagerten Molkereien, Schlachthöfe etc.
Perspektive regionale Ausweitung
Um der globalen Dimension der Klimakrise gerecht zu werden, ist langfristig auch ein globaler Emissionshandel denkbar, in dem jede Tonne Treibhausgasemissionen ein entsprechendes Zertifikat voraussetzt. Bestehende Emissionshandelssysteme sollten diesbezüglich anschlussfähig gestaltet werden. Zur global Ambitionssteigerung sollten multilateralte Bereitschaftsbekundungen genutzt werden, sodass Zertifikate parallel in verschiedenen Systemen reduziert werden können.